Für viele Sparer zeigt sich die Rürup- und Riester-Rente weit weniger rentabel als erwartet – Interview mit Rechtsanwalt Dr. Florian Gaibler, Gründer und Geschäftsführer der Kanzlei Wawra & Gaibler
Eine große Anzahl an Versicherungs-Unternehmen hat ihren Kunden eine unerwartete Herabsetzung des Rentenfaktors aufgebürdet. Dies hat enorme Konsequenzen für Sparer, die privat ihre Rente aufstocken. Mit der stetig ansteigenden Lebenserwartung und der momentanen Niedrigzinsphase argumentieren die Versicherer ihr Vorgehen. Herr Dr. Gaibler ist Gründer und Geschäftsführer der Kanzlei Wawra & Gaibler. Er gibt Ihnen hier die Antworten zu den wichtigsten Fragen rund um das Thema Rentenfaktor-Senkung bei Riester- und Rürup-Renten.
Haben Versicherungen das Recht, den Rentenfaktor nach Belieben zu senken?
Dr. Florian Gaibler: Hier ist zu unterscheiden, ob der Versicherer dem Kunden einen uneingeschränkten Rentenfaktor versprochen hat oder ob die Vertrags-Bedingungen eine Anpassungsklausel beinhalten.
Das Landgericht Köln untersagte es der Versicherung (in diesem Fall die Zurich Deutscher Herold), den Rentenfaktor im Nachhinein einseitig zu reduzieren. Treuhändlerklauseln, die sich in den AGB von älteren Verträgen befinden, sind rechtswidrig. Genauso ist der Verweis auf § 163 VVG, den die Versicherungen in neueren Verträgen nutzen, unzulässig. Solche Regelungen benachteiligen Verbraucher auf unangemessene Weise, weil die Versicherer eine ungünstige Wirtschaftslage unverhältnismäßig auf den Kunden abwälzen. Schließlich sieht die Treuhändlerklausel nur die Anpassung des Rentenfaktors abwärts vor. Bei einer positiven Entwicklung des Marktes ist keine Anpassung nach oben vorgesehen.
Das Urteil verleiht den Verbrauchern eine noch stärkere Position. Es ermöglicht ihnen, ihre Ansprüche in laufenden Verfahren sowie ähnlichen Situationen geltend zu machen. Bislang ist noch keine abschließende, höchstrichterliche Entscheidung gefallen. Daher kommt es stets auf den individuellen Fall sowie die exakten Formulierungen der Verträge an.
Wie viele Versicherer haben bislang den Rentenfaktor reduziert?
Dr. Florian Gaibler: Bislang haben bereits einige Versicherer, einschließlich bedeutsamer Branchenvertreter, den Rentenfaktor gesenkt. Dazu zählen neben Zurich auch die Allianz sowie VHV, AXA und R V. Das zeigen unsere Ergebnisse.
Ist es möglich, dass einige Versicherungen Abstand vom Trend der Rentenfaktor-Senkung nehmen?
Dr. Florian Gaibler: Will der Versicherer den Rentenfaktor senken, muss er dies einerseits beim Vertragsabschluss in Erwägung gezogen und sich andererseits vorbehalten haben. Allerdings unterscheidet sich dies von Versicherung zu Versicherung erheblich. Deswegen ist es nicht möglich, hier Prognosen und Mutmaßungen über einzelne Unternehmen anzustellen. Es ist jedoch anzunehmen, dass die meisten Versicherer ein gesteigertes Interesse an einer Senkung des Rentenfaktors haben. Schließlich ist die wirtschaftliche Ausgangslage für alle Unternehmen identisch.
Was empfehlen Sie einem Sparer, der sich gegen die Senkung des Rentenfaktors wehren möchte? Haben Verbraucher die Möglichkeit, selbst Widerspruch einzulegen oder ist hierfür ein Fachanwalt notwendig?
Dr. Florian Gaibler: Natürlich hat jeder Kunde gleichermaßen die Option, bei der Versicherung Widerspruch einzureichen oder den Rat eines Anwalts einzuholen. Beim Alleingang ist jedoch damit zu rechnen, dass der Verbraucher auf seinen Widerspruch ein ablehnendes Schreiben vom Versicherer erhält. Dann ist es notwendig, den Sachverhalt gerichtlich zu klären. In diesem Fall bleibt dann eh nur noch der Gang zum Fachanwalt für Versicherungsrecht.
Welcher Prozessausgang ist bei einer Klage gegen den Versicherer zu erwarten?
Dr. Florian Gaibler: Dem Verbraucher muss bewusst sein, dass sich solch ein Verfahren bis zu drei Jahre ziehen kann. Eine Prognose über den Prozessausgang kann nur mit den Versicherungs-Unterlagen des Sparers vorgenommen werden. Schließlich hängt dies von den individuellen vertraglichen Bedingungen ab. Allerdings sei hier gesagt: Verbraucher dürfen sich nicht abschrecken und sich das Vorgehen der Versicherungen gefallen lassen. Schließlich geht es hier um die finanzielle Absicherung in der Rente. Außerdem fielen bislangzahlreicheähnlich gelagerteUrteile zugunsten der Verbraucher aus.
Woran erkennen Sparer, ob die Anpassung des Rentenfaktors durch die Versicherung legitim ist?
Dr. Florian Gaibler: Versicherte müssen ihre Verträge und den Versicherungsschein sorgfältig überprüfen. Daran lässt sich ermitteln, ob es sich beim Rentenfaktor um eine verbindliche Zusage handelt oder ob sich der Versicherer die Anpassung vorbehalten hat. Oft fällt es Laien jedoch schwer, dies eindeutig zu beurteilen.
Ist bei einer Klage eher mit einem Vergleich oder einem Prozess zu rechnen?
Dr. Florian Gaibler: Die langjährige Erfahrung deutet eher auf ein Gerichtsverfahren hin. Die Versicherungen bieten in der Regel erst einen Vergleich an, wenn die Verurteilung droht. Allerdings ist es dennoch sinnvoll, gegen die Kürzung der Rente vorzugehen. Es geht hier schließlich um Ihre finanzielle Sicherheit im Alter.